450
Das Verfahren Pombal's gegen die Jesuiten war hart und des-
potisch; aber durch ihn wurde Portugal von den Umtrieben und der
Herrschsucht der Jesuiten befreit. Die von ihm veröffentlichten Schrif-
ten wirkten auch auf andere katholische Länder. Pombal lieferte den
Beweis, daß trotz der Jesuiten und des Papstes ein energischer Wille
überall der Finsterniß zu steuern vermöge. Er enthüllte zuerst den eigen-
thümlichen Charakter der jesuitischen Schulen und derjenigen Art von
Wissenschaft, welche die Jesuiten in ihrem Orden allein treiben ließen.
Ec zeigte der Welt, daß die Jesuiten durch ihre Lehrart das Wachs-
thum der Wissenschaften gehemmt und den Verfall der gelehrten Studien
herbeigeführt hatten. Zu gleicher Zeit gab er aber auch durch seine
Schul-Reformen der Welt das Muster einer neuen Art von Unterricht.
Zu derselben Zeit wurden auch in Frankreich die Klagen über
die Jesuiten immer heftiger, und 1764 wurde der I esuiten-Ord en
in Frankreich gänzlich verboten (S. 359 und 373).
Spanien war gleich im Anfange der Regierung Karls Iii.
(1759 —1788) mit Frankreich in enge Verbindung getreten. Die Män-
ner, welche den größten Einfluß auf den König und die Regierung
hatten, waren mit der französischen Bildung und Aufklärung bekannt
und arbeiteten im Geiste der fortschreitenden Zeit an der Verbefferung
und Hebung des spanischen Staates. Es waren dieses der Genuese
Grimaldi, Campomanes und Aranda, denen als Gehülfe in
kirchlichen Dingen der Geistliche Figeroa zur Seite stand. Der König
war anfangs den Jesuiten gewogen und schien nicht in die Verfolgung
derselben willigen zu wollen. Aber die Männer, welche ihn umgaben,
machten ihm begreiflich, daß eine unumschränkte Monarchie, wie die
neuere Zeit sie fordere, neben dem mächtigen Einfluffe und dem uner-
meßlichen Reichthums der Jeflüten nicht bestehen könne. Sie zeigten
dem König, daß der monarchische Glanz, welchen Karl wünschte, nur
durch das Fortschreiten der Civilisation und durch die auf ihm beruhende
Vermehrung des nationalen Wohlstandes erlangt werden könne, daß
aber beides mit der Fortdauer des Jesuiten-Ordenß unverträglich sei. Diese
Gründe wirkten. Der König erkannte in dem Orden einen Nebenbuhler,
den er beseitigen müsse; er war überdies auf die Jesuiten wegen ihres
trotzigen Benehmens in Amerika ausgebracht. Dennoch wurde anfangs
in den geistlichen Angelegenheiten weiter keine Veränderung vorgenom-
men, als daß die Inquisition den weltlichen Gerichten untergeordnet
wurde. Als aber in Madrid wegen der neuen Finanzmaßregeln ein
Aufstand ausbrach, stellte der König den energischen und verschlossenen
Aranda an die Spitze der Regierung. Bei der Untersuchung erschienen
einige Jesuiten schuldig, den Aufstand angestiftet zu haben. Nun wurde
der Beschluß gefaßt, den Jesuiten-Orden in Spanien aufzu-
heben. Alle Jesuiten in Spanien, mehr als 5000, wurden (1767)
verhaftet und die Güter des Ordens in Beschlag genommen. Die Ver-
hafteten wurden nach Civitavecchia eingeschifft. Da der Papst gegen
ihre Aufnahme protestirte, so mußten die zum Theil alten, zum Theil
kranken Geistlichen längere Zeit auf den Schiffen bleiben, auf welchen
sie wie auf Sklavenschiffen zusammengepreßt waren. Für den lebens-
länglichen Unterhalt der Jesuiten wies die spanische Regierung nur je
neunzig bis hundert Piaster jährlich an. Auch im Königreich Neapel
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Extrahierte Personennamen: Karls Grimaldi Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Spanien Karls Frankreich Amerika Madrid Spanien Spanien Civitavecchia
483
an verschiedenartigen Aufgaben. Aus den Anregungen der damals neu
belebten mittelalterlichen Romantik entstand die Jungfrau von Or-
leans, eine romantische Tragödie. In diesem Drama brachte Schiller
die phantastischen und mystischen Elemente des Mittelalters zur Darftel-
lung. Die Tragödie enthält ein ebenso vortreffliches und anziehendes
Charaktergemälde wie Maria Stuart und gleicht dem Wallenstein darin,
daß die Personen sich wieder auf dem Schauplatze großer Weltbegeben-
heiten bewegen. Die Braut von Messina bezeichnete Schiller selbst
als einen Versuch, einen romantischen Stoff antik zu behandeln. Wil-
helm Tell endlich wird von vielen Kritikern für das beste Drama
Schillers gehalten. An der Vollendung des falschen Demetrius
hinderte den Dichter der Tod (9. Mai 1605).
Allgemein und tief war die Trauer des deutschen Volkes um den
frühen Hingang seines geliebten Dichters. Die Liebe zu Schiller stei-
gerte sich in der Zeit des Befreiungskampfes und in den Jahren der
Hoffnungen, die an seinen Dichtungen sich nährten; die Liebe zu ihm
trat mit der Zeit immer verklärter und bewußter hervor. Sie gründet
sich ebenso auf seinen sittlichen wie auf seinen künstlerischen Charakter.
Seine reine sittliche Gesinnung, die edle Humanität seines Gemüths,
die Männlichkeit und Energie seines Willens haben ihm die Herzen sei-
nes Volkes gewonnen. Kein Dichter verdient in dem Grade wie Schil-
ler den Namen eines deutschen Homer. Seine Dichtungen sind in al-
len Kreisen bekannt; man findet sie oft auch da, wo man sonst nur die
Bibel und das Gesangbuch hat. Durch die gleiche Richtung des Gei-
stes nach Humanität stehen Schiller und die deutsche Nation in enger
Wechselbeziehung. Schiller repräsentirt die sich ihrer Geistesfreiheit und
Gemüthstiefe bewußte Humanität. Seine Dichtungen fielen in eine
Zeit, welche von der Idee deß Weltbürgerthums erfüllt war, und auch
er suchte sein Volk immer mehr zu dieser erhabenen Idee zu erheben,
obgleich er wußte, daß das Vaterländische die starke Wurzel unserer
Kraft sei. Diese Humanität zeigt sich hauptsächlich in der Gewohnheit,
alles Erscheinende mit den höchsten Ideen in Verbindung zu setzen und
das ganze sittliche Lebensgebiet der Vernunftfreiheit zu unterwerfen.
Diese Humanität machte den Dichter zum Vorbilde und zum Führer
seines Volkes. Schillers ganzes Dasein war den ewigen und ernsten
Dingen geweiht, und indem er seine großen Gedanken zwar für die
Vernunft darstellte, sie aber auch mit lyrischer Wärme belebte und in
das Herz legte, wurden die Gedanken selbst, fast ohne künstlerische Ge-
staltung zu bedürfen, zur Poesie. Die Erhabenheit von Schillers An-
sichten und Grundsätzen erfüllte und erhob die Herzen seines Volkes.
Wie sich an den Namen Homec's eine Lireratur von Schriften anschließt
und das anscheinend Allbekannte sich noch immer wieder von einer
neuen Seite darstellt, so haben auch Goethe und Schiller schon viele
Ausleger beschäftigt, und noch immer glaubt man, das Edle, Große
und Schöne, was in ihrer Persönlichkeit und in ihren Werken liegt,
nicht so gründlich und erschöpfend beleuchtet zu haben, daß sich die
deutsche Nation schon völlig darüber klar sein könnte, welche reiche Hin-
terlaffenschaft in ihren Besitz gekommen ist.
31 *
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577
worden war, und vertrieb die Jesuiten aus allen seinen Reichen der
alten und neuen Welt. Es wurden Anstalten zur Volkserziehung ge-
troffen und in den wenigen höheren Schulen, die unmittelbar unter der
Krone standen, der Unterricht und die Lehrweisen verbessert. Aber viele
Mißbräuche blieben dem König unerreichbar, und die Universitäten zeig-
ten keine Neigung zum Fortschritt. Die Geistesbildung wächst nur
langsam. Man fühlte im ganzen Lande die Einströmung eines neuen
Lebens, aber es war augenscheinlich, daß eine lange Zeit vergehen
mußte, ehe das neue Leben die Volksbildung erreichte und die schöne
Literatur dasselbe empfand. Es wurden verschiedene Versuche gemacht,
die spanische Literatur neu zu beleben. Von einer Seite wollte man
den Geschmack für die alte volksthümliche Dichtung Herstellen, während
Andere versuchten, alles auf den Leisten der französischen klassischen
Schule zu schlagen, eine dritte Richtung aber darauf hinauslief, jene
beiden Ansichten zu vereinigen und eine Schule zu bilden, deren Cha-
rakter von den beiden erstgedachten verschieden sei und sie übertreffe.
Diese dritte Schule war für die Kraft und den Reichthum der älteren
Schriftsteller nicht unempfindlich, sie suchte sich aber, die Auswüchse der
älteren Schule vermeidend, der in Europa verbreiteten strengeren Kritik
der französischen Schule anzubequemen.
Die wichtigste literarische Bewegung des 18. Jahrhunderts in Spa-
nien betraf die Bühne, die inan den französischen Regeln zu unterwer-
fen versuchte. Diese Versuche begannen schon zur Zeit Philipps V.,
nach Beendigung des Erbfolgekcieges. Diese Nachahmungen der fran-
zösischen Schule erwarben sich aber ebenso wenig Beifall, als die un-
regelmäßigen und oft gemeinen Stücke. Alles, was noch einige Beach-
tung verdiente, gehörte der Schule der alten Meister an, sowie ihren
schwachen Nachahmern.
Die spanische Bühne hatte jetzt ihren niedrigsten Stand erreicht und
war gänzlich in den Händen des Pöbels, der stets großen Einfluß auf
dieselbe geübt hat. Die dem Volke vorgeführten Schauspiele wurden
noch immer, wie im 17. Jahrhundert, in offenen Hofplätzen mit um-
herlaufenden Gallerien gegeben. Diese Gehöfte hatten keine Bedachung,
und beim Eintreten eines Regenschauers wurde Leinwand über dieselben
gezogen. Diese schützte aber so unvollkommen, daß man, wenn der
Regen anhielt, daß Schauspiel abbrechen und die Zuschauer nach Hause
schicken mußte. Die Zuschauer mußten während der ganzen Ausführung
stehen. Auf der Bühne war es schwer, Veränderungen der Scene vor-
zunehmen, und die Aufführungen fanden immer bei Tage statt. Elisabet
Farnese, die zweite Gemahlin Philipps V., an die Aufführungen italie-
nischer: Bühnen gewöhnt, war mit diesem Zustande nicht zufrieden. Sie
fand nur eine schlecht eingerichtete Bühne im Lustschloffe Buen Retiro,
aus welcher eine italienische Gesellschaft zuweilen Darstellungen gegeben
hatte; sie ließ dieselbe sehr verändern und vergrößern und auf derselben
Opern aufführen. Die beiden'volksbühnen der Hauptstadt richteten nun
auch bequeme Gebäude für das Schauspiel ein. Doch wurden die bei-
den Schauspielhäuser noch immer Hofplätze genannt, die Logen Stübchen;
die mittlere, der Bühne gegenüberstehende große Loge, die Schmorpfanne,
war für die Frauen bestimmt, welche dort wie Nonnen verschleiert saßen,
37
Die spanischen
Bühnenzu-
stände im 18.
Jahrhundert.
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Extrahierte Personennamen: Philipps_V. Philipps_V. Elisabet
Farnese Philipps_V. Philipps_V.
Extrahierte Ortsnamen: Europa Lustschloffe_Buen_Retiro
555
befreundet, aber er nahm deren Philosophie nicht an, sondern folgte
ganz seiner eigenen Ansicht. Er war zum tiefen Denker, zum scharfen,
skeptischen Kritiker geboren. Ec hatte sich mit allen philosophischen Sy-
stemen bekannt gemacht, alle hergebrachten Meinungen geprüft, nicht
bloß die Schule, sondern auch das Leben studirt und sich eine selbstän-
dige Ansicht erworben. Die Geschichte war ihm das Mittel, um seine
auf Erfahrung des menschlichen Lebens beruhende Ansicht von Staat
und Regierung historisch zu begründen und unter die Gebildeten zu
bringen. Im Gebrauche ver Quellen freilich war Hume flüchtig, so
daß sein Zeugniß bei streitigen historischen Fragen wecthlos ist.
Gibbon (1737 —1794) schrieb die Geschichte des Verfalls
und Untergangs des römischen Reiches. Gibbon nahm schon
in seiner Jugend eine rein französische Richtung an und blieb in seinem
ganzen Wesen stets mehr Franzose als Engländer. Er strebte, nicht nach
dem Segen der Erkenntniß, nicht nach stillem inneren Leben, sondern
nach Ehre und Ruhm. Er suchte gelehrte Bekanntschaften zu machen,
um schnell berühmt zu werden, und nahm es mit den heiligsten Ange-
legenheiten und Empfindungen so leicht, daß er zweimal die Religion
wechselte. Die Anlage und Ausführung seines berühmten Werkes war
ganz im französischen Geschmack und ganz für die in vornehmen Kreisen
herrschende Stimmung eingerichtet. Gibbon hat die von ihm erstrebte
Berühmtheit erlangt, da er ein Mann von Geist war, Fleiß, große
Belesenheit, berechnende Klugheit, Meisterschaft der Rede, eine ausge-
zeichnete Kunst der Darstellung und die Geschicklichkeit besaß, fremde
Forschungen zu benutzen.
Die Aufmerksamkeit der Welt richtete sich in dieser Zeit vorzüglich
auf die Männer, welche durch Rede und Schrift unmittelbar in das
politische Leben eingriffen. In der Zeit von 1763 — 1783 wurde in
England mit demselben Nachdruck und demselben heftigen Tone für poli-
tische Freiheit gekämpft, mit welchem man damals in Frankreich eine
völlige Umgestaltung der Dinge herbeizuführen suchte. Diese stürmische
Periode nahm in England einen anderen Ausgang, als die in Frank-
reich entstandene Bewegung der Geister, weil in England Sitten, Ge-
wohnheiren und Rechte und mit ihnen die zwischen den Ständen be-
stehenden Schranken seit uralter Zeit unerschütterlich feststehen.
Zur Zeit der Elisabet hatte der gehobene Nationalgeist und der
literarische Aufschwung nur kaum einen schwachen Anfang von Beredt-
samkeit im Parlamente hervorgerufen. Erst als der Geist der Freiheit
im Hause der Gemeinen den Uebergriffen Karls I. Trotz bot, übte sich
die englische Rede an den großen Fragen des nationalen Interesses.
Der Puritanismus der nächsten Zeit war jeder Kunst und jedem Schmuck
feind. Die Reden Cromwell's, eine Mosaik von biblischen Phrasen
und Formeln, spiegeln zwar das markige Wesen des Mannes ab, aber
auch die dilatorische Härte, den finstern Ernst seiner religiösen unv
politischen Ueberzeugungen. Seit der Restauration war die Loyalität
und Frivolität der Zeit das Grab der rhetorischen Begeisterung. Der
nüchterne und ernste Geist, in welchem die Revolution Wilhelms Itt,
gemacht wurde, der Sinn für das Zweckmäßige, Verständige und Cor-
rekte, welcher die Literatur zu Anfang des 18. Jahrhunderts beherrschte,
bestimmte auch die Beschaffenheit der Parlamentsreden. Die Reden
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Extrahierte Personennamen: Karls_I. Ernst Wilhelms
Extrahierte Ortsnamen: England Frankreich England Frank- England Karls
572
Die flcifiigcn
Zustande Spa-
niens im 17,
Jahrhundert.
Finanzen. Vieles geschah für die Herstellung der Kommunikationswege.
Kanalbauten wurden unternommen, versandete Häfen gereinigt, die Ge-
birge und Küsten von Räubern gesäubert. Die spanische Flagge erschien
wieder mit Ehren auf dem mittelländischen Meere.
Die heilsamsten Reformen fanden in der Kolonialpolitik statt.
Dem Mutterlande wurde stufenweis der amerikanische Handel freigege-
den. Der Schleichhandel verminderte sich. Die Freigebung des Han-
dels mit Amerika wirkte Vortheilhast aus die Hebung der spanischen In-
dustrie. Auch in den Kolonien machte sich das bessere Regiment des
Mutterlandes fühlbar. Sie erhielten 1776 eine neue politische Organi-
sation in vier Vicekönigreiche, Mexiko, Peru, Neu-Granada und Buenos
Ayres. In der Verwaltung wurden einige der gröbsten Mißbräuche ab-
geschafft, aber es fehlte noch viel zu einer gewissenhaften und redlichen
Verwaltung. Die Ausbeute aus den Bergwerken schätzte man von
1750 bis 1780 auf jährlich 30 Millionen Piaster. Die Zunahme des
Verbrauchs von Kolonialwaren in Europa bewirkte, daß man den über
den edlen Metallen bisher vernachlässigten Bodenprodukten Aufmerksam-
keit und Pflege schenkte. Der Freigebung des Handels zwischen Mut-
terland und Kolonien folgte 1774 die Freigebung des Handels der Ko-
lonien unter einander. Der auswärtige Handel Spaniens, soweit er
nicht Kolonialhandel war, hob sich nur langsam zu Gunsten der natio-
nalen Flagge. Der größere Theil der eingeführten Kolonialwaren so-
wie der Produkte Spaniens wurde von fremden Schiffen geholt. Erst
im Verlauf des 18. Jahrhunderts änderte sich dieses, und gegen das
Ende dieses Zeitraums begegnet man nicht selten spanischen Schiffen in
der Nord - und Ostsee. In dem Verkehr mit Spanien hatte Frankreich
die Holländer überflügelt. Auch England eiferte nach und stand gegen
das Ende des Zeitraums hinter den Franzosen kaum zurück. Von den
deutschen Jndustrieerzeugnissen blieb Leinwand ein auf dem spanischen
Markt gesuchter Artikel.
Mit dem allgemeinen Sinken des spanischen Volkscharakters verfiel
auch die spanische Literatur. Die Zahl der Schriftsteller nahm immer
mehr ab. Es fehlte der Literatur an der allgemeinen Theilnahme des
Volkes; alle Gunst, welche spanischen Dichtern und Gelehrten erwiesen
wurde, kam vom Hofe. Die gezierte und schwülstige Schreibart der
Nachtreter Gongora's (S. 251) wurde immer ausschweifender. Das
Sinken der Literatur hing mit dem allgemeinen Verfalle Spaniens eng
zusammen. Der alte Glaube des Landes, der zu den Zeiten der Mau-
ren fast Wunder gethan hatte, veränderte seinen Charakter und wurde
ein Mittel der Unterdrückung. Die Inquisition hatte während des 16.
und 17. Jahrhunderts, von der Eroberung Granada's bis zum Erlöschen
deß spanischen Hauses Habsburg, ihre Macht nicht nur ununterbrochen
behauptet, sondern sich auch immer enger mit dem Staate verbunden.
Sie strafte, was der Regierung verhaßt war, und alles wurde nieder-
gebrochen, was an geistiger Unabhängigkeit und männlichem Freimuthe
noch vorhanden war. Es geschah das unter thätiger Theilnahme der Re-
gierung und der höheren Stände und mit Zustimmung der großen Mehr-
heit des Volkes. Vom ersten König aus dem Hause Habsburg, Karl I.
(in Deutschland Karl V.), bis zum letzten, Karl Ii., glichen sich alle
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Extrahierte Personennamen: Karl_I. Karl_V. Karl_V. Karl_Ii Karl
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Mexiko Peru Buenos
Ayres Europa Spaniens Spaniens Nord Spanien Frankreich England Spaniens Hauses_Habsburg Deutschland
574
Lande, so nützlich und wichtig sie auch in ihren Kreisen sein mögen,
demselben eine neue Literatur geben, oder wo dessen ältere Literatur tief
gesunken ist, zur Wiederbelebung derselben viel beitragen. Auch die
spanischen Akademien haben hiervon keine wesentliche Ausnahme gemacht.
Schon vor dev Thronbesteigung der Bourbonen war die Bildung und
der Sinn für schöne Wissenschaften fast so gänzlich verloren gegangen,
daß deren Wiedererweckung nur das Werk der Zeit sein konnte. Wäh-
rend der ganzen Regierungszeit Philipps V. finden wir diesen betrüben-
den Zustand der Dinge.
Während der Regierung Philipps V. machte sich allmälig Frank-
reichs Einfluß auf die Bildung Spaniens fühlbar. Paris war damals
für feine Sitten und Bildung die Hauptstadt Europa's, und der Hof
Ludwigs Xiv. und Ludwigs Xv., die mit dem Philipps V. in ge-
nauestem Zusammenhange standen, mußten auch Madrid eine Färbung
verleihen, wie sie sich damals auch über Deutschland und die nordischen
Länder verbreitete. Man sing an in der guten Gesellschaft von Madrid
und am Hofe französisch zu reden. Bald folgten Übersetzungen aus
dem Französischen, und endlich wurde der Versuch gemacht, in Spanien
eine auf die französischen Lehren gegründete Dichtkunst einzuführen. Es
geschah dieses von Jgnacio de Luzan, einem aragonischen Edelmann,
der in Mailand, Paris und Neapel eine gelehrte Erziehung erhalten
hatte. Die alte spanische Dichterbildung war mit dem Hause Habsburg
erloschen. Unter solchen Umständen konnte auch eine schwache Be-
mühung zu einer entscheidenden Aenderung führen, und Luzan war
durch seinen literarischen und kritischen Geschmack wohl geeignet, einen
solchen Anstoß zu geben. Er war in den Grundsätzen der französischen
sogenannten klassischen Schule erzogen und besaß Kenntnisse genug, um
deren eigenthümliche Lehren zu verkünden und aufrecht zu erhalten. Er
that dieses in seiner Kunst zu dichten. Luzan folgte den Lehren Boi-
leau's und schärfte sie durch Beispiele ein. Ec erklärte die Literatur der
Zeit Ludwigs Xiv. für das Muster der Literatur der ganzen Christen-
heit. Die Wirkung dieser Abhandlung war sehr groß. Es schien ein
Mittel gefunden zu sein, den schlechten Geschmack zu verbessern, der daß
Sinken der spanischen Literatur seit Gongora begleitet und beschleunigt
hatte. Luzans Kunst zu dichten erlangte seit ihrer Erscheinung ein maß-
gebendes Ansehen am spanischen Hofe, sowie bei den wenigen Schrift-
stellern von Ruf im ganzen Königreiche.
Es bedurfte jedoch in Spanien mehr ats einer bloßen Verbesserung
des Geschmackes, um einen sichern Grund zu Fortschritten der schönen
Literatur zu legen. Die allgemein gültigsten Wahrheiten waren so lange
cckis dem Laude verbannt gewesen, daß der menschliche Geist, aus
Mangel an passender Nahrung, im Absterben oder verkrüppelt zu sein
schien. Sowohl die Philosophie als die Naturwissenschaften, die seit
einem Jahrhundert in ganz Europa mit zunehmender Schnelligkeit fort-
geschritten waren, vermochten nicht durch die Wache zu dringen, welche
gemeinsam durch Staat und Kirche an den Pässen der Pyrenäen gehal-
ten wurde. Aller Unterricht, der nicht von der Kirche gebilligt war,
wurde als gefährlich betrachtet. Auf den in den Händen geistlicher
Körperschaften befindlichen Universitäten wurden die schönen Wisjenschaf-
ten nicht gefördert und erfuhren nur geringe Duldung. Man wollte
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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756
Es war Napoleons Absicht, den übrig gebliebenen Kern der preußischen
Monarchie durch Schwächung der inneren Volkskrast und durch endlose,
gegen den Monarchen ausgeübte Bedrückungen und Kränkungen allmälig
' aufzureiben. So berechnete, um nur ein Beispiel anzuführen, der fran-
zösische General--Intendant Da ru die Forderungen Frankreichs, welche
die preußischen Bevollmächtigten auf neunzehn Millionen Franken veran-
schlagt hatten, auf hundert vier und fünfzig und eine halbe Million
Franken. Obgleich der König seinen Bruder, den Prinzen Wilhelm,
nach Paris sandte und der Kaiser Alexander sich bei Napoleon für Preu-
ßen verwendete, wurde die Forderung doch nur bis auf 140 Millionen er-
mäßigt. Preußen mußte biß zur Zahlung dieser Summe die drei Festun-
gen Glogau, Küstrin und Stettin an Frankreich überlassen, zehntausend
Mann französischer Truppen als Besatzung derselben auf seine Kosten
erhalten und mit Belagerungsbedarf auf sechs Monate versorgen.
Die arglistigen und gehässigen Berechnungen Napoleons scheiterten
an der Kraft des von Natur tüchtigen, preußischen Staats- und Volks-
geistes. Das schwere Unglück des Krieges befreite Preußen
von den Ideen und Formen einer abgestorbenen Zeit und
führte es einer inneren Wiedergeburt entgegen. Die Heerverfas-
sung und Heergesetzgebung wurden einer gänzlichen Umbildung
unterworfen. Die Anwerbung fremder Söldlinge hörte auf, und daß
Gesetz verpflichtete alle Söhne des Vaterlandes zum Kriegsdienste. Das
ausschließende Anrecht des Adels auf die Offlcierstellen so wie die harte
Behandlung des gemeinen Kriegers sielen weg Die Heermassen und die
Kriegsbehörden wurden einfacher eingetheilt, die Mannschaften angemes-
sener bekleidet und geübt. Da Preußen sich verpflichtet hatte, innerhalb
der nächsten zehn Jahre nicht mehr als 42,000 Mann unter den Waffen
zu halten, so bildete man einen neuen Lruppenkern durch jährliche Aus-
hebung und Wiederentlaffung der Geübten. Bei der Schöpfung eines
neuen Heerwesens war besonders der General Scharnhorst, ein gebor-
ner Hannoveraner, thätig.
Der Freiherr von Stein, welchen der König am 5. Oktober
1807 an die Spitze der Verwaltung gestellt hatte, bildete das bisherige
Staatswesen um, durch Aufstellung neuer Verwaltungsformen und durch
Wiederbelebung des vom Materialismus des 18. Jahrhunderts er-
drückten Volksgeistes. Das bisherige Verhältniß des gründ-
herrlichen Eigenthums wurde wesentlich verändert. Das
ausschließliche Vorrecht des Adels auf den Besitz der ritterlichen Güter
hörte auf, und es war von nun an auch Bürgern und Bauern gestat-
tet, dergleichen zu erwerben, nicht minder aber auch dem Adel, bürger-
liche und bäuerliche Grundstücke an sich zu bringen. Die bisher den
größten Theil der Landbewohner an ihre Gutsherrn bindende Unter-
thänigkeit mit Dienst- und Loskaufungszwange hörte auf. Eine neue
Städte Ordnung gab den Bürgern die alten vom König Friedrich
Wilhelm I., in der Zeit soldatischer Herrschaft, entrissenen Muni-
cipalrechte wieder, die sie in der Blüthezeit des deutschen Lebens
erworben hatten. Die Bürger hatten alle Theilnahme an der städti-
schen Verwaltung und an der Besetzung der städtischen Aemter ver-
loren ; die städtischen Magistrate waren von den königlichen Kam-
mern ernannte Behörden, die, in der Regel wenigstens, keinen städti-
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleons Wilhelm Alexander Alexander Napoleon Napoleons Friedrich
Wilhelm_I. Friedrich Wilhelm_I.
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Paris Glogau Stettin Frankreich Napoleons
748
Napoleon
Bonaparre
errichtet das
Kaiserthum.
England höchst nachtheilige Neutralität Spaniens in offenen Kriegsstand
zu verwandeln.
Die Macht Bonaparte'ß war eine monarchische, und es fehlte ihr
nur der Titel. Im März 1804 wurde im Senat die Erblichkeit der
höchsten Magistratur für nöthig erachtet, und am 30. April im Tribunal
der Antrag gestellt, die Regierung der Republik einem Kaiser anzuver-
trauen und dieses Kaiserthum in der Familie Bonaparte erblich zu inacheil.
Nur einer der Tribunen, nämlich Car not, sprach gegen die Errichtung
des Kaiserthums. Am 18. Mai wurde unter dem Vorsitze des zweiten
Consuls Cambacereß ein S e n a ruße o n su l t beschlossen, welches dem
ersten Con sul den Kaiser titel zuerkannte und die Erblichkeit
der kaiserlichen Würde in dessen Familie feststellte. Am 20. Mai,
am Pfingstsonntage, wurde das neue Kaiserthnm in Paris feierlich aus-
gerufen und angebliche Verbesseruilgen der Staatsverfassung bekannt ge-
macht, welche nur Verstärkungen der schon bestehenden souveränen Mo-
narchie waren. Von der Republik blieben nur einige gehaltlose Formen
übrig. Die Prunkformen des neuen Kaiserthums waren zum
Theil dem Mittelalter entlehnt. Es wurden sechs Erzämter mit fürst-
lichen Ehren und drei Klassen von Kronbeamten des Reichs er-
nannt, unter welchen die militärischen mit sechzehn Marschällen und acht
General-Jnspectoren der Armee zuerst ins Dasein traten. Die zu fran-
zösischen Prinzen erhobeneil Brüder Napoleons Joseph und Ludlvig
erhielten das Recht der Erbfolge und den Titel: Kaiserliche Hoheit. Den
beiben anderen Brüdern, Sudan und Hieronymus, wurde nicht
gleiche Ehre zuertheilt, weil sie sich unter ihrem Stailde oder wenigstens
gegen den Willen Napoleons verheirathet hatten. Ein zahlreicher
Hofstaat wurde für den Kaiser, die Kaiserin, die Brüder und Schwe-
stern des Kaisers angestellt, und das Ceremoniel aus das sorgfältigste be-
stimmt. Die Generale und die Staatsbeamten drängten sich zum Hul-
digungseide, die Dichter und Redner priesen in Versen und in Prosa
das neue Kaiserthum, die Armee freute sich des ihrem siegreichsten An-
führer beizulegenden neueil Titels: Kaiserliche Majestät, und das Volk
ließ sich das neue Schauspiel gefallen; nur die Pariser zeigten ungewöhn-
liche Gleichgültigkeit.
Das französische Volk hat vor allen Nationen Europa's für sein
geschichtliches Dasein den meisten Siml. Die vorübergehende revolutio-
näre Wuth der Franzosen gegen Alterthum, Adel und Königthum be
zeugt nur die grenzeillose Erbitterung der Zurückgesetzten und feen großen
Werth, welchen sie auf die beneideten Vorzüge legten. Wegen dieser
nationalen Denkungsart wurde den Söhnen und Töchtern des corsischen
Gerichtsbeisitzers Carlo Buonaparte die Begründung einer neuen Dyna-
stie in Frankreich schwerer, als in Staaten, die an den Wechsel der
herrschenden Familien schon gewöhnt sind. Die Familie Napoleons hatte
keine Wurzel in der Vergangenheit des französischen Volkes, und Napo-
leon suchte diesen Mangel durch eine Menge kleinlicher Vorschriften zu
verdecken, durch die. im neuen Hof- und Staatswesen alles genau be-
stimmt wurde. Der alte Adel, der sich zu den Hofämtern drängte, war
dem Kaiser für diesen Zweck sehr willkommen, weil er sich weit besser
als alle Neulinge auf die Wissenschaft der Formen verstand. Es wurde
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleons Joseph Napoleons Carlo_Buonaparte Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: England Spaniens Cambacereß Paris Frankreich
794
Deutschland.
Pedro hielt unter dem Jubel der Einwohner und unter lauten Ver-
wünschungen gegen Don Miguel seinen Einzug. Eine Stadt nach der
andern wurde für Donna Maria besetzt, und Don Miguel mußte in dem
Vertrage von Evora (1834) auf die portugiesische Krone verzichten
und Portugal verlaffen. Don Pedro berief die Cortes , und diese leiste-
ten mit großer Begeisterung der Königin Maria Ii. den Eid. Don
Pedro, dessen Leben und Charakter einen lichten Punkt in der sonst
dunkeln und traurigen Geschichte seines Hauses und Landes bilden, starb
schon 1834. Auch unter der Königin Maria da Gloria dauerten die
Streitigkeiten um die Verfaffung fort. Nach ihrem Tode (1855) folgte
ihr Don Pedro, ihr aus ihrer zweiten Ehe mit dem Prinzen Ferdi-
nand von Sachsen-Koburg entsprossener Sohn, auf dem Throne von
Portugal.
Die Freunde des Friedens und der Gesittung hatten die Hoffnung
gehegt, daß mit dem Sturze Napoleons eine Zeit des Glückes und der
Befriedigung eintreten würde. Diese Hoffnung ward aber nicht erfüllt;
es kehrte mit dem Verschwinden des Eroberers der Friede nicht unter
die Menschen zurück; es trat vielmehr eine Zeit inneren Zwiespaltes und
Kampfes, ein Widerstreit der Principien und Interessen zwischen Dyna-
stien und Nationen, zwischen bevorrechteten Klassen und der Masse der
Bevölkerung ein. Selbst die religiösen und kirchlichen Ideen, die wäh-
rend des 18. Jahrhunderts so tief in den Hintergrund getreten waren,
erholten sich von der langen Lähmung und vermehrten durch den Kampf,
den sie entweder gegen einander oder gegen die politische Richtung der
Welt unternahmen, den Widerstreit der Meinungen. Die Hoffnung auf
eine glücklichere Zukunft nach der Besiegung deß allgemeinen Drängers
war nirgends so lebhaft als in Deutschland gehegt worden. Man hoffte,
nachdem die alte deutsche Reichsverfassung beseitigt war, aus eine wirk-
liche Wiedergeburt des deutschen Volkes; aber der vom wiener Congreß
geschaffene deutsche Bund befriedigte den aufgeklärten Theil des deutschen
Volkes nicht. Durch den 13. Artikel der deutschen Bundesakte war
allen deutschen Staaten die Verpflichtung zur Einführung oder Wie-
derherstellung land ständischer Verfassungen auferlegt worden.
Aber in Oestreich, so weit es zum deutschen Bunde gehört, begnügte
man sich mit den alten sogenannten Postulaten-Landtagen, die nur noch
die Aus- und Umschreibung der an die Regierung abzuliefernden Steuern
zu besorgen hatten. König Friedrich Wilhelm Iii. von Preußen un.
terzeichnete am 22. Mai 1815 eine Kabinetsordre, in welcher nicht nur
die Einführung von Provinzialständen, sondern auch eine Verfaffung für
das ganze Reich, eine Vertretung des preußischen Volkes, in Aussicht
gestellt wurde. Aber anfangs verzögerte die Schwierigkeit der Sache die
Ausführung; später machten mancherlei Umstände den König bedenklich,
und er begnügte sich, 1823 Provinzialstände für die einzelnen Pro-
vinzen der Monarchie anzuordnen. Im Königreich Sachsen wurden
die aus dem Mittelalter herübergekommenen Landftände beibehalten, die
nur ein Bollwerk der privilegirten Klaffen waren. Auch im Königreich
Hannover und in Kur Hessen wurden die alten Landstände wieder
hergestellt, im letzteren Staate mit Zuziehung des Bauernstandes, der
früher ohne alle politischen Rechte gewesen war.
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Extrahierte Personennamen: Pedro Donna_Maria Maria Don_Miguel Evora Pedro Maria Pedro Maria_da_Gloria Maria Pedro Napoleons Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Portugal Sachsen-Koburg Portugal Napoleons Dyna- Deutschland Oestreich Sachsen Hannover Hessen
795
Der Großherzog Karl August von Weimar bewies in der An-
ordnung der politischen Verhältniffe seines Landes denselben edeln Sinn,
von dem er in der Förderung der allgemeinen geistigen Interessen, durch
die Begünstigung der größten nationalen Schriftsteller, von Anfang sei-
ner Regierung an so viele Beweise gegeben hatte. Er gab in Ueberein-
stimmung mit den Ständen seinem Lande eine Verfassung, in welcher
eine wahrhafte Volksvertretung Antheil an der Gesetzgebung und Aufsicht
über die Verwendung der Staatseinkünfte hatte. Auch die Königreiche
Bayern und Würlemberg, die Großherzogthümer Hessen-Darm-
stadt und Baden und daß Herzogthum Nassau erhielten constitutio-
nelle Versastungen.
Bei der politischen Zersplitterung und Ohnmacht deß alten deut-
schen Reiches hatte die große Literaturepoche, die mit Klopstock und
Lessing begann, und die ein halbes Jahrhundert lang durch ihre Schö-
pfungen ganz Deutschland ergriff, ein neues Belebungßmittel dargeboten
und das Bild eines emporstrebenden, einigen, idealen Deutschland dar-
gestellt. Die deutsche Literatur, die lange die einzige bewegende Kraft
im deutschen Leben bildete, hatte vorzugsweise ihren Sitz auf den pro-
testantischen Universitäten. Diese hatten an den großen Zeit-
ereignissen vor und während der Befreiungskriege den lebendigsten Anlheil
genommen. Manche ihrer berühmtesten Lehrer hatten als Mitglieder des
Tugendbundes eifrig im Stillen gewirkt; viele Studirende waren 1813
dem preußischen Waffenrufe gefolgt. Die Universitäten stellten die deut-
schen Zustände mit ihren Vorzügen und Gebrechen dar. Die Studi-
renden theilten sich, wie die Nation in eine Menge von Staaten, in
viele einzelne Landsmannschaften und Verbindungen. In den Sitten
der fungen Akademiker war, wenn auch in verzerrter und knabenhafter
Gestalt, von dem Geiste des Mittelalters mehr als in andern Klassen
übrig geblieben. Die rohste Selbsthülfe, die gröbste Verletzung der von
der übrigen gebildeten Welt anerkannten Formen galt als Privilegium
des Universitätslebens. Nach den Befreiungskriegen erwachte endlich ein
neuer Geist. Von der Einmüthigkeit, welche die deurschen Völker wäh-
rend des Kampfes gegen die Franzosen beseelt hatte, ermuthigt, beschloß
eine Anzahl über das herkömmliche Treiben sich erhebender Studenten
eine Reform deß akademischen Lebens. An die Stelle der einzelnen
Landsmannschaften sollte eine einzige große Verbindung, die allgemeine
deutsche Burschenschaft, treten und so das anzustrebende Ziel der
politischen Einheit der ganzen Nation vorbereitend ankündigen. Jena,
durch seinen freien und kühnen Forschungsgeist berühmt, war der Hauptsitz
dieser Bewegung.
Mit dieser beabsichtigten Reform des Universitätslebens wurde eine
andere, schon früher begonnene der gestammten Jugenderziehung in Ver-
bindung gebracht. Ludwig Jahn, Lehrer an einer Schulanstalt in
Berlin, hatte in den letzten Jahren vor den Befreiungskriegen die in
Deutschland lange vernachlässigte Gymnastik unter dem Namen Turn-
kunst wieder zu Ehren gebracht und auf ihre Nothwendigkeit in sittlicher
und physischer Beziehung hingewiesen. Nach Jahns Meinung sollte eine
verbesterte Bildung der Jugend auf eine nationale Wiedergeburt Deutsch-
lands vorbereiten. Es schwebte ihm eine gänzliche Umgestaltung des
deutschen Lebens, obwohl in unbestimmten und unklaren Bildern vor.
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Extrahierte Personennamen: Karl_August_von_Weimar Karl August Klopstock Lessing Ludwig_Jahn Ludwig Jahns
Extrahierte Ortsnamen: Hessen-Darm- Baden Deutschland Deutschland Jena Berlin Deutschland